Gedenkstele für Julius Leber in Berlin eingeweiht
Das Landeskommando Berlin der Bundeswehr hat am 26. September 2023 vor der Julius-Leber-Kaserne eine Stele zum Andenken an den Namensgeber der Liegenschaft errichtet. Die Initiative hierzu hatte der Kommandeur des Landeskommandos Brigageneral Jürgen Karl Uchtmann ergriffen. Der Bundesvorsitzende Dr. Fritz Felgentreu würdigte Leber und dieses Projekt in seiner Ansprache.
Die Rede ist hier verfügar - es gilt das gesprochene Wort.
Julius Leber und das Reichsbanner
(Anrede)
es ist ein bewegender Moment für mich, dass ich heute hier vor den Toren der Julius-Leber-Kaserne stehen darf, um aus einem so schönen Anlass ihren Namenspatron zu würdigen. Jede Kaserne der Bundeswehr ist wichtig: für ihren Standort, für die Menschen in ihrer Region und – durch ihren Beitrag zu unser aller Sicherheit – für das ganze Land. Aber hier und in diesem Kreis darf ich doch zugestehen: Die Julius-Leber-Kaserne ist nicht irgendeine Kaserne. Sie ist DIE Bundeswehrkaserne für die Bundeshauptstadt Berlin. Und sie ist die Heimat der Garde, des Wachbataillons, das den Auftrag hat, die wichtigsten Institutionen unserer freiheitlichen, demokratischen Republik zu schützen, wenn ein Feind sie bedroht. Dass gerade diese Kaserne, die für die demokratische und rechtsstaatliche Tradition der Bundeswehr steht wie keine zweite, gerade nach diesem Mann benannt worden ist, hat etwas zu bedeuten. Wer also war Julius Leber?
Gestatten Sie mir auch auf die Gefahr hin, Altbekanntes zu wiederholen, die wichtigsten Stationen seines Lebens Revue passieren zu lassen. Vielleicht ist für den einen oder die andere doch etwas Neues dabei oder zumindest etwas, das man sich gerne in Erinnerung ruft:
Der Elsässer Julius Leber war Jahrgang 1891. Sein Adoptivvater, von dem er seinen Namen hat, trug selbst den französischen Vornamen Jean; er war Maurer von Beruf. Mit 21 machte Leber nach Schule und Ausbildung in Freiburg Abitur; noch als Abiturient trat er in die SPD ein. Er studierte in Straßburg und Freiburg Nationalökonomie und Geschichte, brach aber sein Studium ab, um sich noch 1914 freiwillig zur Fahne zu melden. Als Batteriechef bei der Feldartillerie wurde er mit dem Eisernen Kreuz zweiter und erster Klasse dekoriert. Nach dem Krieg diente er weiter in der Reichswehr, bis er sich beim Kapp-Putsch 1920 gegen die Putschisten stellte: Erst jetzt wurde er aus einer dem eigenen Staat gegenüber nicht eindeutig loyalen Armee entlassen. Noch im gleichen Jahr beendete er sein Studium in Freiburg mit der Promotion.
Seine politische Karriere begann Leber 1921 in Lübeck als Chefredakteur einer sozialdemokratischen Regionalzeitung. Er war Mitglied der Bürgerschaft und wurde 1924 mit 33 Jahren Reichstagsabgeordneter, was er bis zum Verbot der Sozialdemokratie durch den NS-Staat auch blieb. Wie es sich für einen kämpferischen Verfechter der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gehörte, war Leber aktives Mitglied des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold.
Straßenschlachten der Eisernen Front mit der Lübecker SA läuteten nach der Machtergreifung des Nationalsozialismus eine Zeit der Verfolgung ein: Die Jahre bis 1937 verbrachte Leber in Gefängnissen und Konzentrationslagern. Danach lebte er als Kohlenhändler in Berlin-Schöneberg. Das kleine Haus in der Torgauer Straße, in dem er seine Kohlenhandlung betrieb, wurde als „Verschwörerbude“ zu einem Treffpunkt des Widerstands im Untergrund. Es steht noch immer und soll zum Gedenkort entwickelt werden.
Das politische Leben dieses aufrechten Mannes fand seine Erfüllung im Widerstand gegen die NS-Diktatur. Als Mitverschwörer des Kreises um Claus Graf Schenk von Stauffenberg war er bereit, höchste Verantwortung zu übernehmen. Er warf seine Autorität in die Waagschale, damit auch die politische Linke nach der Beseitigung der NS-Diktatur eine auf alle wohlmeinenden und patriotischen Kräfte gestützte Regierung würde mittragen können. Durch einen Spitzel verraten, wurde er schon vor dem 20. Juli verhaftet. Dem Präsidenten des Volksgerichtshofes schleuderte er beim Schauprozess gegen ihn und seine Mitverschwörer das stolze Wort entgegen, das die Julius-Leber-Kaserne vor dem Stabsgebäude mit einem eigenen Denkmal ehrt. Am 5. Januar 1945 wurde Julius Leber – gar nicht weit von hier – in Plötzensee hingerichtet.
Meine Damen und Herren, wenn wir diesen bedeutenden Vorkämpfer für Freiheit und Rechtsstaat heute im öffentlichen Raum VOR der nach ihm benannten Kaserne ehren, dann ist das genau der richtige Ort. Denn seine Haltung im Angesicht unmenschlicher Tyrannei verpflichtet nicht nur die Soldaten und Soldatinnen der Bundeswehr, die hier ein- und ausgehen, sie verpflichtet uns alle. Als Vorsitzender des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold ist es mir fast einhundert Jahre nach seiner Gründung und dem Eintritt des Kameraden Julius Leber in seine Reihen eine Ehre und ein Bedürfnis, ihm für sein Vorbild zu danken.
Wir alle wissen: Der Kampf für den Schutz von Freiheit und Demokratie hört niemals auf. Julius Leber würde sich vermutlich zornentbrannt aus seinem Grab auf dem Waldfriedhof Zehlendorf erheben, wenn er wüsste, dass die geistigen Erben der Deutschnationalen und der Nationalsozialisten es heute wagen sich mit den Farben Schwarz-Rot-Gold zu schmücken – ein skandalöser Etikettenschwindel, den aber nur durchschauen kann, wer sich mit der Geschichte der Freiheitsbewegung in Deutschland befasst hat. Er würde uns mit harten, aber klaren Worten mahnen, die Gefahren zu sehen und sie nicht zu unterschätzen, die Freiheit und Bürgerrechten in so unruhigen Zeiten drohen.
Weil wir ihn nicht aber mehr haben, wollen wir diese Stele für ihn sprechen lassen. Füllen wir so den großen Namen, den diese Kaserne trägt, mit immer wieder neuem Leben, als politisch bewusste Bürgerinnen und Bürger der Freien Republik!
Ich danke Ihnen.
Impressionen
(c) Bilder: Lucas Koppehl