Reichsbanner-Gedenken Lister Turm 2021
Am 21. Februar 2021 gedachte die Regionalgruppe des Reichsbanners in Hannover der 1933 von Nazis ermordeten Vereinsmitglieder und legte hierzu einen Kranz vor dem Lister Turm nieder.
In der Nacht vom 21. auf den 22. Februar 1933 ereignete sich am Lister Turm in Hannover ein hinterhältiger Feuerüberfall. Nazis lauerten in einem angrenzenden Waldstück den Reichsbanner-Leuten auf und ermordeten zwei Männer, Wilhelm Heese und Willi Großkopf. In rascher Folge wurden ca. 150 Schuss auf die unbewaffnete Reichsbanner-Schutzform abgegeben - weitere 17 Reichsbanner-Kameraden wurden schwer verletzt.
Anlässlich des Gedenkens erklärte der Sprecher der Regionalgruppe Hannover, Marco Rösler (es gilt das gesprochene Wort):
Heute ist der 21. Februar 2021.
Ich befinde mich in Hannover und stehe vor dem Lister Turm, im Zoo-Viertel.
Mein Name ist Marco Rösler und ich bin Mitglied im 1953 wieder gegründeten Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, dem Bund aktiver Demokraten! Ich gehöre zum Bundesvorstand, bin heute hier in meiner Funktion als Sprecher der Regionalgruppe Hannover. Und ich freue mich über Ihr und Euer Interesse sowie Anteilnahme an den Ereignissen vor 88 Jahren.
In der Nacht vom 21. auf den 22 Februar 1933 ereignete sich hier ein hinterhältiger Feuerüberfall. Nazis lauerten in einem angrenzenden Waldstück und ermordeten zwei Männer des Reichsbanner: Wilhelm Heese und Willi Großkopf. 17 weitere Reichsbanner-Kameraden wurden schwer verletzt!
Bevor wir der Opfer des Nazi-Feuerüberfalls gedenken, werde ich noch einmal die Vorfälle der Blutnacht schildern. Zwei Wochen vor der Reichstagswahl fanden auch in Hannover zahlreiche Wahlveranstaltungen und Kundgebungen statt. So auch an jenem Abend im nahegelegenen Bothfeld. Hier sollte bei einer SPD-Kundgebung der Reichstagsabgeordnete Richard Partzsch sprechen.
Doch dazu kam es nicht. Circa 80 bis 100 Nazis, und zwar SA-Leute in Zivil, besetzten den Versammlungssaal in Bothfeld. Wenige Minuten nach dem Beginn der Kundgebung erhoben sich die Nazis, legten Hakenkreuzbinden an und schlugen auf die Versammlungsteilnehmer ein! Es gab zahlreiche Verletzte – unter ihnen auch der eingangs erwähnte Reichstagsabgeordnete Partzsch, der mit einer schweren Kopfverletzung ins Krankenhaus gebracht werden musste. Nach dieser Prügelorgie zog die SA in zwei Trupps geschlossen und von der Polizei unbehelligt ab – in Richtung Lister Turm. Denn auch hier fand eine SPD-Wahlkundgebung statt. Es sprach der Reichstagsabgeordnete Alfred Faust aus Bremen.
Durch die Vorfälle in Bothfeld alarmiert, schickte der Leiter der Reichsbanner-Schutzformation Alfred Jahn Verstärkung für den Saalschutz zum Lister Turm. Jedoch traf die SA vor dem Reichbanner ein. Allerdings gelangten sie nicht in den Saal, die SA wurde von den anwesenden vier Polizeibeamten abgewiesen und eventuell so auch über die anrückende Reichsbanner-Verstärkung in Kenntnis gesetzt.
Die SA zog sich in den Schutz der Dunkelheit an den Waldrand der Eilenriede zurück. Als nun die 50 Männer der Schutzformation ihr Ziel erreichten, wurden sie aus der Dunkelheit mit Reichsbanner Bundesgruß „FREIHEIT“ angerufen. Sofort fielen in rascher Folge ca. 150 Schuss auf die unbewaffnete Reichsbanner-Schutzformation. Zwei Reichsbanner-Männer starben – weitere 17 wurden, u.a. durch Schüsse, schwer verletzt!
Ich bitte nun Kamerad Gülzau nach vorn, zur Verlesung der Namen der Opfer.
Verletzt wurden bei dem Feuerüberfall am Lister Turm:
- Kamerad Karl Eßmann, Lungenschuss
- Kamerad Schenk, Brust- und Beinschuss
- Kamerad Jipper, Beinschuss
- Kamerad Legge, Kopfverletzung
- Kamerad Krummfuß, Kopfverletzung
- Kamerad Feldmann, Stirnwunde
- Kamerad Lippers, Beinschuss
- Kamerad Oppermann, Steckschuss
- Kamerad Jender, Handverletzung
- Kamerad Asche, Armverletzung
- Kamerad Bleibohm, Kopfverletzung
- Kamerad Falke, Prellschuss
- Kamerad Meyer, Prellschuss
- Kamerad Heupke, Streifschuss
- Kamerad Böhmke, Beckenschuss
- Kamerad Weidig, Gehirnerschütterung
- Kamerad Alfred Jahn, Prellschuss
Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold wurde am 22. Februar 1924 in Magdeburg gegründet. Und zwar als Republikschutzorganisation, mit nach eigenen Angaben bis zu drei Millionen Mitgliedern.
Das Reichsbanner war eine parteiübergreifende Massenorganisation, welche in kollektive Vergessenheit geraten ist. In den ersten Jahren nach der Gründung bestand die Arbeit des Reichsbanner hauptsächlich aus dem Werben für die Verfassung, die parlamentarische Demokratie, für die deutsche Republik – und natürlich auch für die Farben Schwarz-Rot-Gold sowie dem damit verbundenen bundesrepublikanischen Wahlspruch: Einigkeit, Recht und Freiheit!
Als ab 1930 der Nazi-Terror gegen politisch Andersdenkende massiv zunahm wurde innerhalb des Reichsbanners die Schutzformation gegründet, kurz Schufo. In der Schufo Hannover waren ca. 200 Reichbanner-Kameraden aktiv, die mit rechtsstaatlichen Mitteln stets unbewaffnet u.a. Saal- und Gebäudeschutz leisteten.
Den heute hier gedachten Demokraten war bewusst, welches Risiko sie eingingen. Sie haben sich der Gefahr zum Trotz entschieden, sich gegen die Gewalt von rechts zu stellen. Auch unter dem Einsatz ihres Lebens!
Dafür danken wir ihnen.
Impressionen
(c) Bilder: Manfred Wolter