Susanne Baer bei Lübecker Verfassungsrede 2025

Aus Anlass der Lübecker Verfassungsrede 2025 sprach Bundesverfassungsrichterin a.D. Susanne Baer über das Thema „Richtig Recht sprechen. Was Gerichte wissen müssen, um dem Grundgesetz gerecht zu werden“. Susanne Baer über das Grundgesetz: „Never leave home without it – ich hab es jedenfalls immer dabei“.
Bericht von Dr. Jan Schenkenberger, Beauftragter für Schleswig-Holstein
Bereits zum vierten Mal feierte das Reichsbanner am 23. Mai den Jahrestag der Verkündung des Grundgesetzes, den Verfassungstag der Bundesrepublik Deutschland. Gemeinsam mit der Hansestadt Lübeck und der Willy-Brandt-Stiftung knüpfen wir damit an die Tradition der Verfassungsfeiern an, die das Reichsbanner schon in der Weimarer Republik initiierte und maßgeblich prägte.
In diesem Jahr konnten wir als Rednerin die Richterin des Bundesverfassungsgerichts a.D. Susanne Baer gewinnen. Sie erinnerte das Publikum im vollbesetzten, historischen Audienzsaal der Lübecker Rathauses in einer leidenschaftlichen Rede daran, dass „der Geburtstag des Grundgesetzes auch dafür steht, dass Politik nicht tun kann, was sie will. Das geht in einer Diktatur, das geht in Autokratien, die sich heute auch gern demokratisch tarnen. Aber es geht nicht im demokratischen Verfassungsstaat. Im demokratischen Verfassungsstaat kennt auch die Not ein Gebot. Da gibt es auch in der Krise Grenzen. Und sie ergeben sich eben aus dem Grundgesetz – Menschenwürde, Freiheit, Gleichheit, demokratische Wahlen, Rechtsetzung, Verwaltung, unabhängige Justiz.“ Das Thema ihrer Rede war „die Wahrheit, nichts weniger als das. Denn die Wahrheit ist in der Krise, in der Wahrheitskrise, in der Wissenskrise.“ Und darauf muss auch der Rechtsstaat reagieren.
Was kann man glauben? Wie kann man Wissen erlangen und auf welcher Basis können Gerichte urteilen? Was ist tatsächlich wahr, was sind Glaubensfragen? Hier diagnostizierte Baer eine „Krise am Fundament“, die nicht nur dazu führe, dass etwa die Gender Studies denunziert würden, weil es gerade in diesem Bereich ohnehin schon viele Vorurteile gäbe: „Sie sehen in den USA gerade, wohin eine solche Entwicklung führt, wo nämlich nicht nur die Gender Studies, sondern die Geschichtswissenschaften, die Medizin, insbesondere die Impfforschung, die Forschung in der Landwirtschaft, zum Klimaschutz, zur wirtschaftlichen Entwicklung und mehr gestoppt werden.“
Wie lässt sich vor dem Hintergrund dieser Krise noch verlässlich Recht sprechen, also eine Grundlage schaffen, auf der Konflikte friedlich und mit dem Grundgesetz in der Hand, beigelegt werden können? Sind wir schon in einer postfaktischen Dystopie angekommen? Wird uns die Wahrheit egal? Wie gehen wir damit um? Baer legte dar, wie das Bundesverfassungsgericht arbeitet. Aber sie appellierte auch an uns alle.
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(c) Mitschnitt: Olaf Malzahn & Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung