Gedenken 87 Jahre Feuerüberfall in Hannover
An der Außenwand des Hannoveraner Stadtteilzentrums Lister Turm erinnert eine Gedenktafel an eine vor 87 Jahren von Nationalsozialisten an zwei Reichsbannermännern begangene Bluttat:
„Zur mahnenden Erinnerung an die Zeit nationalsozialistischen Terrors, in der die Menschenrechte, die Freiheit und die Gerechtigkeit missachtet wurden. Hier ermordete die S.A. am 22.2.1933 die Mitglieder des Reichsbanners Wilhelm Heese und Willi Großkopf.“
Der am 16. Februar 1890 im – damals noch nicht nach Hannover eingemeindeten – Dorf Linden geborene Wilhelm Heese, und der 20 Jahre jüngere, am 13. Januar 1910 in Hannover geborene, Willi Großkopf gehörten wie rund 200 weitere Reichsbannermänner in Hannover zu den dortigen Schutzformationen („Schufo“) des Reichsbanners, die Anfang der 1930er Jahre als Reaktion auf den rechten Straßenterror gebildet worden waren. Der bei seiner Ermordung gerade einmal 23jährige Großkopf gehörte neben dem Reichsbanner ebenso dem Arbeiter-Samariter-Bund Deutschland und der Sozialistischen Arbeiterjugend an, die in der 1931 gegründeten „Eisernen Front“ – neben weiteren sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen Organisationen – gemeinsam mit dem Reichsbanner für die Republik und gegen das Erstarken des Nationalsozialismus eintraten.
Die Hannoveraner Schufo-Kameraden waren auf einem Sportplatz in Celle durch Angehörige der Magdeburger Polizei für den Straßenkampf ausgebildet worden. Dies schützte sie freilich nicht gegen die Heimtücke der SA, deren Angehörige Heese und Großkopf während der Verteidigung einer SPD-Wahlkundgebung für die Reichstagswahlen vom 5. März 1933 mit Schüssen in den Rücken töteten. Wie bereits in den vergangenen Jahren gedachte auch 2020 der SPD-Stadtverband Hannover am 22. Februar mit einer Gedenkveranstaltung der ermordeten Reichsbanner-Kammeraden. Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold wurde durch eine Delegation der örtlichen Regionalgruppe vertreten und gedachte den Toten mit einer Kranzniederlegung. Für die SPD, deren Veranstaltungen das Reichsbanner – ebenso wie solche der beiden anderen republikanischen Parteien, des Zentrums und der DDP – in den Zeiten der gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Weimarer Republik geschützt hatte, würdigte die Bundestagsabgeordnete Kerstin Tack das streitbare Wirken dieser Demokratieschutztruppe und namentlich Heeses und Großkopfs.
Zugleich stelle Tack Bezüge zum aktuellen politischen Tagesgeschehen her. Es schockiere, dass in den letzten Wochen Hass, Extremismus und Faschismus eine Salonfähigkeit erreicht hätten, nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten ängstigten, empörten und in allerhöchste Alarmbereitschaft versetzten. Es könne kein Freispruch von Verantwortung erfolgen, wenn Menschen immer wieder mit rechtspopulistischem Agieren Hass säten. Tack mahnte, stark zu sein in einer Gemeinschaft für die Demokratie. Es sei wichtig, im Gedenken an und im Lernen aus der Geschichte wachsam und aufmerksam zu sein.
Im Anschluss an die Rede der SPD-Politikerin erfolgte eine Kranzniederlegung am Ort der Ermordung. Im Nachgang zur offiziellen Gedenkveranstaltung lud das Organisationsteam zum Gedankenaustausch sowie zur Besichtigung einer Schautafelausstellung über das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold in Hannover im Stadtteilzentrum Lister Turm ein. Hier ist eine 40seitige Broschüre erhältlich, die – angereichert mit Zeitzeugenberichten, Erinnerungen sowie historischen Presseberichten – einen vielfältigen Einblick in Geschichte und Ereignisse rund um das Reichsbanner in den Jahren 1924-1933 in Hannover gibt.
Text: Ralf Hermes/Tilman Fischer
Impressionen
Bilder: Ralf Hermes, Marco Rösler