Mein Aufenthalt mit Sar-El in Israel
Der Berliner Kamerad Gregor Nägeli hat am Sar-El Programm der israelischen Streitkräfte teilgenommen und berichtet von seinen Erfahrungen vor Ort.
Gregor Nägeli, Mitglied des Landesvorstandes Berlin-Brandenburg
Am 7. Oktober 2023 mussten die Menschen in Israel auf brutalste Weise feststellen, dass sie nicht in Sicherheit leben. Der barbarische Angriff der Hamas machte diese traurige Realität so klar, wie schon lange nicht mehr. Es war der tödlichste Tag für jüdisches Leben seit dem Holocaust. In Deutschland ist es leider Alltag, dass Synagogen, Schulen und jüdische Einrichtungen von der Polizei geschützt werden müssen; dass aber – man kann es nicht anders sagen – in den Tagen nach dem 7. Oktober auf deutschen Straßen Mord und Vergewaltigung gefeiert wurden, beschämte mich zutiefst.
Die Berichte von Jüdinnen und Juden in Deutschland, die es nicht mehr wagen, sich öffentlich zu ihrem Glauben und ihrer Herkunft zu bekennen und deren Häuser mit Davidsternen „markiert“ werden, sollten jedem Demokraten das Herz brechen. Als aktives Mitglied des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold fühlte ich mich jedenfalls herausgefordert. Der Kampf gegen Antisemitismus und das Eintreten für den Schutz jüdischen Lebens gehören zur Gründungs-DNA meines bald 100 Jahre alten Verbandes.
Das Risiko, sich gegen Antisemiten und Extremisten zu positionieren, war mir bewusst, aber die Reaktionen auf den 7. Oktober machen es so offensichtlich wie schon lange nicht mehr, dass man sich engagieren muss.
Deshalb habe ich mich kurz darauf freiwillig für das Sar-El Programm angemeldet, die Idee kam mir bei einem Gespräch am Rande der Bundeskonferenz des Reichsbanners vergangenes Jahr. Sar-El ist ein Akronym und heißt so viel wie „Dienst für Israel“. Es handelt sich dabei um ein ziviles Freiwilligenprogramm, welches die israelische Armee, die IDF, logistisch unterstützt. Obwohl sowohl die Tätigkeit als auch die Organisation Sar-El rein zivil ist, lebt und arbeitet man eng mit IDF-Soldaten zusammen. Jeder Gruppe von Freiwilligen ist ein militärischer Leiter, meist eine junge Soldatin, zugeordnet die einen durchgehend begleitet.
Ende Januar war es dann so weit und ich habe mich für 15 Tage nach Israel begeben, um meinen Teil dazu beizutragen, Angela Merkels damaliges Versprechen einzuhalten - die Sicherheit Israels ist niemals verhandelbar. Auch wenn die Tätigkeiten auf den Armeebasen häufig einfach und etwas monoton waren, so waren es die Gespräche mit jungen Wehrpflichtigen und Reservisten, die meinen Aufenthalt zu einer Erfahrung machen, die ich so schnell nicht vergessen werde. Beispielsweise wie einer der anderen Freiwilligen mir erklärte, dass jeder Topf, den ich abgewaschen habe, jede Palette Thunfisch, die ich gestapelt habe oder auch jede Fahrt mit einem Rettungswagen, bei der ich am Steuer saß, eine Tätigkeit war, die nicht von einem aktiven Soldaten oder Reservisten ausgeübt werden musste.
Diese Entlastung ermöglichte etwa einem 19-jährigen Soldaten aus Tel Aviv, den ich stolz bin jetzt einen Freund nennen zu dürfen, seinen verwundeten Kameraden zu besuchen. Nur zwei Tage nachdem beide aus Gaza zurückgekommen waren. Ähnlich inspirierend wie der Austausch mit Soldaten, die entweder auf dem Weg zur Front waren oder gerade zurückkehrten, waren auch die Begegnungen außerhalb der Armee-Stützpunkte mit der Zivilbevölkerung in Israel.
Noch am Tag meiner Ankunft in Tel Aviv fand ich mich in einer Menge von Feiergästen, nicht ohne Grund wird Tel Aviv auch das Berlin des Nahen Ostens genannt. Während einige aus der Gruppe bereits sichtlich angeschlagen waren, hatte ich mit einer jungen Frau eines der bewegendsten Gespräche meines Lebens. Meine - in Retrospektive dümmliche - Frage, ob es nicht manchmal etwas merkwürdig sein kann, während eines Kriegs feiern zu gehen, beantwortete sie mit einem kleinen Bild in ihrem Portemonnaie. Es zeigte eine ehemalige Klassenkameradin, die zu diesem Zeitpunkt seit über 100 Tagen Geisel der Hamas war. „Wenn wir aufhören zu leben, wie wir wollen, dann haben die doch gewonnen. Dann hat sich der Angriff für die Hamas gelohnt." Es ist dieser Mut der Menschen auf der Straße, der mich inspiriert hat. Der Mut der Soldaten, teilweise sechs bis sieben Jahre jünger als ich, und eines Volkes, das sich nicht mehr sicher ist, ob die Welt hinter ihnen steht.
Ich kann also diesen kurzen Bericht nur mit dem Appell abschließen, sich diesen Mut als Beispiel zu nehmen. Niemand muss es mir gleich tun und nach Israel fliegen. Aber Solidarität ist wichtig. Nehmt Kontakt zu israelischen oder jüdischen Bekannten und Freunden auf oder zu eurer lokalen Synagoge. Beteiligt euch bei Solidaritätsdemonstrationen an Hochschulen und in Städten. Bietet Hilfe an oder zeigt einfach nur, dass ihr da seid. Wir als Reichsbanner, früher von den Nationalsozialisten als „Judenschutztruppe“ verunglimpft, sollten uns diesen „Titel“ wieder verdienen.
Ihr werdet überrascht sein, wie viel diese kleinen Gesten den Menschen bedeuten können. Oder wenn ihr die Zeit habt und bereit seid mehr zu tun – bewerbt euch für das Sar-El Programm. Sollte jemand daran Interesse haben, zögert nicht mich zu kontaktieren und ich helfe gerne weiter. Alternative gibt es Online alle notwendigen Informationen unter www.sar-el.org
Die Menschen in Israel werden es euch danken. So wie die ältere Dame in Jerusalem, die mich ungläubig und ungefragt umarmte, als sie die Deutschlandflagge auf meiner IDF-Uniform sah. Israel braucht Deutschland nicht um den Krieg zu gewinnen, aber die betroffenen Menschen hier und in Israel verdienen unsere Hilfe. Gerade jetzt. „#WeRemember” und „#NeverAgain” dürfen keine leeren Floskeln sein.