Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, Bund aktiver Demokraten e.V. Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, Bund aktiver Demokraten e.V.

Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, Bund aktiver Demokraten e.V. - Lysenko

Grußwort des Ausstellungsbeauftragten
Michael Lysenko, B.A.

zur Ausstellungseröffnung am 16. Januar 2016
im Pommerschen Landesmuseum zu Greifswald

Vor knapp 92 Jahre entstand in der Weimarer Republik im Jahr 1924 das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, Bund Deutscher Kriegsteilnehmer und Republikaner. Im Gegensatz zu den zahlreichen anderen Kampf- und Wehrverbänden, deren Mitglieder dem Geist der untergegangenen Kaiserzeit und ihrer Kräfte anhingen, galt den Reichsbanner-Männern der jungen Deutschen Republik ihre Loyalität.

Während die Feinde der Novemberrevolution weiter die alte schwarz-weiß-rote Fahne ehrten, die „Deutschen Tage“ feierten, den Tag der Verfassung als Trauertag erklärten und die Sozialdemokraten als Verräter beschimpften, propagierte das Reichsbanner die schwarz-rot-goldenen Farben des neuen Staates, in dem Einigkeit und Recht und Freiheit die Grundlage der Gesellschaft bilden sollten. Trotz aller Anfeindungen feierte das Reichsbanner die neuen Verfassungstage, stärkte den neuen republikanischen Staat im Volke und versuchte auf diesem Wege den Nationalgeist der Deutschen auf neue demokratische Werte zu vereinigen, der nicht länger Revanchismus und Militarismus beinhalten sollte. Deutschland hatte den Krieg verloren, der Staat war in der Krise. Reichspräsident Friedrich Ebert und die neue Regierung, welche beide nicht für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges verantwortlich waren, übernahmen dennoch die Verantwortung und somit gleichsam die Schmach der Niederlage.

Während die politischen Feinde der Weimarer Republik die demokratische Politik beschimpften und entweder an die „guten Zeiten“ des Kaiserreiches erinnerten oder auf der anderen Seite die Diktatur des Proletariats propagierten, setzte sich das Reichsbanner für die Stabilisierung des politischen Lebens des neuen Deutschlands ein. Mit staatspolitischer Bildungsarbeit, auf Massenkundgebungen, Reichsbanner- und Republikanischen Tagen sowie bei Verfassungsfeiern warb es für Demokratie und Republik.

Diese selbstgesetzte Aufgabe erwies sich wie angedeutet jedoch als außerordentlich schwierig. Nicht nur die politischen Gegner auch die politischen Folgen des Weltkrieges erschwerten die Position der Demokraten. Einerseits hatten sie auf internationalen Konferenzen die politische (Kriegs-)Schuld Deutschlands zu verhandeln, auf der anderen Seite musste ein neuer Staat aufgebaut werden, der auf demokratischen Werten und dem Recht fundierte. Die Überzeugung auch bei den Demokraten, dass es eine Alleinschuld Deutschlands am Ersten Weltkrieg nie gegeben habe und der Versuch, die Belastungen des Versailler Vertrages so schnell wie möglich zu verringern, war vor diesem Hintergrund durch die nationalistischen Kräfte allzu leicht angreifbar. Dennoch musste das Reichsbanner in diesem Spannungsfeld glaubhaft machen, dass die Toten des Krieges nicht umsonst waren. Sie waren die bitteren Opfer für den Preis der Freiheit. Eine Freiheit, die nun nicht als Strafe der Sieger, sondern als Chance für eine neue Zukunft begriffen werden musste. Nicht ganz zufällig lautete der Reichsbanner-Gruß „Frei Heil“ beziehungsweise „Freiheit“ – eine bis heute bestehende Vereinstradition.

Seit Februar 1924 entstanden die Ortsvereine des Reichsbanners im ganzen Reich. Eines der ersten Gaue wurde Pommern mit Zentrum in Stettin. Obwohl Pommern als Land der Gutsbesitzer und Reaktion bekannt war, bildeten sich auch hier zahlreiche Ortsgruppen, deren Mitglieder sich auch in demokratischen Parteien organisierten – DDP, SPD und auch wenngleich im protestantischen Pommern schwächer vertretenen Zentrum. Auch republikanisch gesinnte Hochschullehrer des sonst monarchietreuen Beamtenapparates in Greifswald erklärten sich bereit, die Republik zu stärken und zu schützen.

Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten wurde das Reichsbanner verboten und seine Mitglieder verfolgt. Es gab keinen Platz mehr für die freie Interpretation der so wichtigen politischen Begriffe, die in der Weimarer Zeit noch erklärbar waren – die auch durch die Republikaner im demokratischen Sinne propagierte Volksgemeinschaft wurde zum rassistischen Gegenteil des Erstrebten.  Durch die Verbrechen des „Dritten Reiches“ wurden zahlreiche Eigentümlichkeiten des Nationalcharakters der Deutschen nachhaltig beschmutzt. Auch nach den über sieben Jahrzehnten seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges wird jede Diskussion über deutsche Identität, jeder in Fraktur gesetzte Text, selbst die Begrüßung „Frei Heil“ nicht mit jener Zeit der demokratischen Aufklärung in der Weimarer Republik verbunden, sondern unwillkürlich mit der NS-Zeit, den Opfern des Zweiten Weltkrieges und der Shoah oder mit dem Hitler-Gruß. Auch bei der Vorbereitung der Ausstellung „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold in Pommern 1924-1933“ im Pommerschen Landesmuseum sollten wir auf ähnliche Missverständnisse stoßen. Doch gerade das Reichsbanner besitzt die historische Glaubwürdigkeit, auch heute noch die Unterschiede zwischen dem Nationalen und Nationalistischen zu zeigen und zu erklären.

Die Suche nach der nationalen und historischen Identität, vor allem in den ostdeutschen Bundesländern und dementsprechend auch in Mecklenburg-Vorpommern, entwickelt sich besonders seit den letzten 25 Jahren virulent und ist Gegenstand verschiedener Diskussionen. Die Debatten um die aktuelle Flüchtlingskrise wird diese Diskussion in Deutschland noch weiter vorantreiben. Denn schon in der Vergangenheit haben nationalistischen Strömungen und Parteien die Diskussion um die Deutungshoheit der nationalen Identität Deutschlands zu ihren Zwecken zu missbrauchen versucht. Daher müssen die demokratischen Parteien weiterhin standhaft und selbstbewusst das Bild eines demokratischen und selbstsicheren Deutschlands verteidigen, in dem nationale Identität nicht Ausgrenzung bedeutet, sondern eine Einladung. Wenn man diese nationalen Werte von nationalsozialistischen nicht zu unterscheiden versteht, besteht es eine Gefahr für die Zukunft unseres Landes. Die Geschichte des Reichsbanners in Pommern ist ein wichtiges Beispiel, an dem die Besucherinnen und Besucher sehen können, dass ein deutscher Patriot auch ein nach dem Frieden suchender und kriegsfeindlicher Republikaner sein konnte.

Die Ausstellung „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold in Pommern 1924-1933“ sollte von Anfang an aus zwei großen Teilen bestehen: Zuerst soll gezeigt werden, was das Reichsbanner überhaupt war, welche Ziele es verfolgte, welche Schwierigkeiten der Bund bei dem Kampf für Freiheit überwinden musste. Dafür haben alle bei der Vorbereitung der Ausstellung beteiligten Parteien sich darauf verständigt, in Greifswald die Wanderausstellung „Für eine Starke Republik“ der Berliner Gedenkstätte Deutscher Widerstand (GDW) sowie einen Teil der Exponate aus den Beständen des Reichsbanner-Museums im Hamburger Kurt-Schumacher-Haus zu präsentieren.

Außer den retrospektiv reichsweit ausgestellten Gegenständen war es ebenso ein Ziel, die Materialen zur Geschichte des Reichsbanners in Pommern zu sammeln, um zeigen zu können, dass der Bund auch hier präsent war. Nach 92 Jahren seit der Entstehung des Reichsbanners ist es unmöglich, alle Materialien zu seiner Tätigkeit in Pommern zu sammeln. Während der NS-Zeit waren zahlreiche Kameraden entweder ausgewandert oder politisch untätig, viele vernichteten ihre Unterlagen um ihrer Verhaftung zu entgehen. Ortsgruppen beseitigten Dokumente, damit diese nicht beschlagnahmt werden konnten, oder verkauften aus demselben Grund ihr Inventar. In Ostdeutschland nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bestand das Reichsbanner nicht mehr, sodass seine Geschichte in Pommern für Jahrzehnte vergessen wurde. Was außer der Fahne der Ortsgruppe Drewelow heute in der Region erhalten blieb, sind überwiegend die Grafiken, die in dieser[А1]  Broschüre gezeigt werden. Doch allein sie lassen den Betrachter erahnen, wie umfangreich die Reichsbanner-Bewegung war.

Da die Demokratie auch heute nicht selbstverständlich ist, ist es jederzeit förderlich, daran zu denken, dass die Ziele des Reichsbanners sehr aktuell sein können. Deswegen eröffnen wir diese Ausstellung, um nach so langer Zeit auch in Greifswald wieder sagen zu können: „Freiheit!“

Danksagung

Dafür, dass diese Ausstellung zustande kommen konnte, gilt ein besonderer Dank zunächst dem Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, Bund aktiver Demokraten e.V. mit ihrem Bundesgeschäftsführer Herrn Lucas Koppehl und dem Hamburger Landesvorsitzenden Herrn Xavier Wasner. Des Weiteren ist dem Pommerschen Landesmuseum zu Greifswald mit ihrem Direktor Herrn Dr. Uwe Schröder und dem Museologen Herrn Heiko Wartenberg herzlich für ihre umfangreiche und geduldige Hilfe zu danken.

Für die Unterstützung der Ausstellung durch Zulieferung der bei der Gedenkstätte Deutscher Widerstand vorbereiteten Plakate zur Geschichte des Reichsbanners sind wir besonders dem Direktor der GDW Herrn Prof. Johannes Tuchel, der Museologin Frau Susanne Brömel und Herrn Andreas Herbst dankbar.

Groß war zudem die Freude über die Zusammenarbeit mit der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) und ihre Zusage das Projekt in nicht unmaßgeblichen Umfange auch finanziell zu fördern. Dies knüpft in wunderbarer Weise an die Tradition der Zusammenarbeit des Reichsbanners und des Reichspräsidenten Ebert an und führt sie weiter. Namentlich ist hier dem Leiter des Landesbüros der FES Mecklenburg-Vorpommern Herrn Frederic Werner zu danken. Ohne die freundliche Hilfe von Frau Irmgard Bartel aus der Bibliothek der FES wäre es nicht möglich gewesen, die zahlreichen zeitgenössischen Fotos des Reichsbanners aus Pommern zeigen zu können. In diesem Zusammenhang möchten wir auch dem Archiv der sozialen Demokratie der FES in Bonn unseren Dank aussprechen, insbesondere Frau Gabriele Lutterbeck und Herrn André Castrup.

Für die Möglichkeit, die Archivalien zur Geschichte des Reichsbanners in Pommern in unserer Ausstellung zu zeigen, sind wir dem Direktor des Landeshauptarchivs Schwerin Herrn Dr. Martin Schoebel und Frau Dr. Antje Koolman sowie Frau Kirsten Schäffner aus dem Landesarchiv Greifswald sehr dankbar. Ein herzlicher Dank gilt auch dem Direktor des Stadtarchivs Stralsund Herrn Dr. Dirk Schleinert für die wertvollen zeitgenössischen Fotos. Für die Möglichkeit die Archivalien aus dem polnischen Teil des historischen Pommerns zu zeigen, sind wir besonders dem Direktor des Staatsarchivs Szczecin Herrn Dr. Jan Macholak, Herrn Dr. hab. Pawel Gut und Herrn Witold Mijal dankbar. Dank zu sagen ist ebenso der stellvertretenden Leiterin des Universitätsarchives der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Frau Barbara Peters, für die Fotos der Universitätsprofessoren, die beim Reichsbanner tätig waren.

Wir freuen uns des gleichen über die Bereitschaft zur Übernahme der Vorträge durch Herrn Prof. Włodzimierz Stępiński und Herrn Dr. Tomasz Ślepowroński vom Institut der Geschichte und internationalen Beziehungen der Universität zu Szczecin, die die Ausstellungseröffnung am 16. Januar 2016 ungemein bereichert haben. Dies beweist, dass die Erinnerung an den Kampf für die Freiheit grenzübergreifend und europaweit ist. Dass unser Projekt grenzüberschreitend ist und nicht nur Pommerinnen und Pommern interessiert, bezeugt auch die aktive Mitarbeit von Frau Marianna Kretovich an der grafischen Gestaltung der Ausstellung. Sie ist Absolventin der Fakultät der schönen Künste der Nikolaus-Kopernikus-Universität zu Toruń – wir danken ihr sehr.

Zum Schluss sei mir gestattet, meine persönliche große Dankbarkeit meiner Familie zum Ausdruck zu bringen, für das Verständnis und die ständige Unterstützung des Projekts mit Tat und Rat. Ich freue mich sehr, dass diese Unterstützung im Sinne der Traditionen des Reichsbanners zu Weimarer Zeiten auch in unserer Familie weiterlebt. Das Reichsbanner bestand nicht nur für den Kampf für die Demokratie, sondern auch für die Möglichkeit, in der Demokratie ein erfülltes Leben zu führen. Deswegen warb der Bund bei aller Politik für die Beteiligung von Frauen bei seinen Kulturveranstaltungen und der Kinder bei den Feiertagen. Lassen wir uns diese schöne Tradition weiter pflegen.

Michail Lysenko
Ausstellungsbeauftragter

 

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