Grußwort des Präsidenten des Deutschen Bundestages
Wolfgang Thierse
zum 75-jährigen Bestehen des „Reichsbanners Schwarz Rot Gold“
und zur Ausstellungseröffnung am 24. Februar 1999
im Landtag von Sachsen-Anhalt
Die Gründung des „Reichsbanners Schwarz Rot Gold“ vor 75 Jahren durch die SPD, dem Zentrum und der DDP war ein bemerkenswerter Akt der Verteidigung der ersten deutschen Demokratie. Denn bereits 1924 mußten diejenigen, die auf die Verfassung und die parlamentarischen Einrichtungen der freiheitlichen Republik bauten, sich gegen die extremistischen Kräfte von rechts und links zur Wehr setzen. Vor allem Anfang der dreißiger Jahre höhlten wirtschaftliche Krisen, autoritäre Herrschaftsbestrebungen und nationalsozialistischer Straßenterror die Demokratie immer weiter aus. Angesichts dessen wuchs die Bedeutung des „Reichsbanners Schwarz Rot Gold“, das sich als sozialdemokratische Schutztruppe und in Verbindung mit der „Eisernen Front“ aktiv den antidemokratischen Kräften entgegenstemmte. Angesichts zu weniger Bürger, die sich für die freiheitliche Republik einsetzten, konnte die Sicherung der parlamentarischen Demokratie letztlich nicht gelingen – die Etablierung der totalitären, nationalsozialistischen Diktatur mit ihren menschenverachtenden Taten war die brutale Folge. Daß aber die erste deutsche Republik nicht kampflos unterging, darin liegt die bleibende Bedeutung des Reichsbanners bis auf den heutigen Tag.
Das Motto des Reichsbanners lautete: „Die Republik beschützen wird, und Schwarz Rot Gold ist das Panier“. Es knüpft damit an die wiederum 75 Jahre zuvor begründete Tradition der Freiheitsbewegung von 1848/49 an. Es sind diese Bestrebungen einer freiheitlichen Demokratie und eines republikanischen Geistes, auf die unsere parlamentarische Demokratie der Bundesrepublik Deutschland aufbaut. Diese historischen Traditionen gilt es vor allem der jungen Generation zu vermitteln. Denn sie zeigen, wie viele Menschen sich für die parlamentarische Demokratie unter schwierigen Bedingungen eingesetzt haben und damit zugleich, daß nicht politische Apathie oder Resignation, sondern aktiver Einsatz für die freiheitlichen Grundwerte und abwehrbereite Verteidigung parlamentarisch-demokratischer Institutionen Richtschnur des Handelns sein muß.
Die aktuelle Ausstellung wird deshalb dazu beitragen, daß die Erinnerung an diejenigen in Ehren gehalten wird, die damals unter hohem Einsatz die Weimarer Republik zu schützen suchten. Ihren aktiven Widerstand gegen Hitler haben viele Mitglieder des Reichsbanners bezahlen müssen: mit beruflichen und persönlichen Schädigungen, mit Emigration, Verhaftung, Konzentrationslager und Tod. Ihrem mutigen Handeln gilt unser besonderer Respekt und Dank. Der Einsatz all derjenigen, die im „Reichsbanner Schwar Rot Gold“ aktive Verteidigungsbereitschaft der Demokratie gezeigt haben, ist uns heute Vorbild und Ansporn, in den Auseinandersetzungen unserer Zeit aktiv für Menschenrechte einzutreten und die Normen des zivilen Zusammenlebens zu wahren. Die Verantwortung für die Republik, das zeigt der Blick auf Weimar, obliegt nicht einzelnen Politikern, sondern allen Bürgern.
Ich wünsche deshalb den Mitgliedern des Reichsbanners viel Kraft für Ihr verdienstvolles Engagement und der Ausstellung viele Besucher.
Wolfgang Thierse
Präsident des Deutschen Bundestages